1. Einleitung

Essstörungen sind Verhaltensstörungen mit meist ernsthaften und langfristigen Gesundheitsschäden im seelischen und körperlichen Bereich.

Als Essstörung wird bezeichnet, wenn das gesunde Essverhalten aus dem Gleichgewicht gerät und sich ständig gedanklich und emotional mit der Thematik „Essen“ beschäftigt wird.

Ursachen sind in der Störung der emotionalen Selbstwahrnehmung und in fehlender psychischer Widerstandsfähigkeit zu suchen.

2. Formen von Essstörungungen

Es gibt drei Hauptformen von Essstörungungen:

  • Magersucht
  • Bulimie
  • Binge- Eating- Störung

und spezielle Sonder- und Unterformen:

  • Pica- Syndrom: essen von ungewöhnlichen Dingen, wie Papier, Ton, Kreide, Kot etc.; oftmals
    sind die Betroffenen geistig behindert oder dement
  • Orthorexa – nervosa: krankhaftes „ Gesund- Essen“ infolge einer Wahn- oder Zwangsstörung
  • Anorexa athletica; Sportsucht zum Zwecke des Kalorienverbrauchs

Alle Essstörungungen können ineinander übergehen oder sich abwechseln, sie sind nicht voneinander abgrenzbar. Zentral ist das ständige Gedankenkreisen ums Essen.

2.1. Magersucht (Anorexie)

Magersucht bedeutet starker Gewichtsverlust durch Selbstverursachen. Die Betroffenen finden sich trotz Untergewicht zu dick. Sie besitzen keine realistische Selbstwahrnehmung. Sie nehmen stetig ab durch Hungern, oftmals verbunden mit übermäßiger Bewegung. Zusätzliche werden missbräuchlich Abführmittel und entwässernde Medikamente eingesetzt. Oftmals wird das Trinken drastisch reduziert.

Der eigene Körper wird als Feind empfunden, der Kopf kontrolliert und steuert den Körper. Bei ca. 60% der Magersüchtigen wird die Dauerdiät durch Essattacken unterbrochen, die dann wieder“ ungeschehen“ gemacht werden ( bulimische Typ der Magersucht), durch Erbrechen oder Medikamentenmissbrauch.

Gefährlich ist die Entstehung einer Art Hochgefühl, dass man den Körper „im Griff“ hat.
Betroffene sind ehrgeizig und haben einen hohen Anspruch an sich selbst. Oftmals entwickeln Magersüchtige andere Zwänge, wie Kontrollsucht, obskures Sammeln von Dingen, übertriebene Körperpflege oder Symmetriezwänge. Im weiteren Krankheitsverlauf verstärken sich depressive Stimmungen, erste Selbstmordgedanken kommen auf.

Magersüchtige sind hochsensibel für die Bedürfnisse anderer. Dabei haben sie selbst schweren Zugang zu ihren eigenen Gefühlen.Es besteht große Angst vor Trennung, aber auch Furcht vor Nähe.

  • → Anzeichen:
    Auffällig ist ein starker Gewichtsverlust, der Body Mass Index sinkt unter 17,5. Heranwachsende werden größer ohne an Gewicht zuzulegen. Die Betroffenen vollziehen eine übertriebene Gewichtskontrolle. Sie haben kein Einsehen für ihr krankheitsbedingtes Verhalten und sehen keinen Handlungsbedarf. Bei Mädchen bleiben die Monatsblutungen aus.
  • → Ursachen/ Auslöser:
    Magersüchtige besitzen ein geringes Selbstwertgefühl. Sie sind geprägt von hohen Selbstleistungforderungen und Perfektionismus.
    Es besteht ein übersteigertes Harmoniebedürfnis durch die Familie. Manchmal sind die Betroffenen von Angehörigen getrennt worden. Auslösend kann auch der Kampf um Selbstbehauptung sein.
  • → Folgen:
    Es treten mit Fortdauer der Erkrankung starke körperliche und seelische Schäden ein. Durch die kontinuierliche und dauerhafte Unterversorgung mit Nährstoffen entwickeln sich Herz- Kreislaufstörungen, Beeinträchtigung des Hormonhaushalts,Wachstumsstörungen, Osteoporose , Angsterkrankungen und Panikattacken. Ein nicht zu unterschätzender Fakt ist, dass 5- 6 % der Erkrankungen zum Tod führen.

2.2 Bulimie (Bulimarexie)

Im Unterschied zur Magersucht ist die Bulimie äußerlich nicht erkennbar. Betroffene sind schlank, sportlich und gepflegt. Bulimie Kranke haben heimliche Essanfälle mit Gegenmaßnahmen (Erbrechen, Medikamentenmissbrauch zum Abführen, Entwässern u.ä.)

Die Betroffenen haben eine krankhafte Furcht dick zu werden. Ihre Gedanken kreisen ständig um Essen. Häufig entwickelt sich diese Form der Essstörung im Anschluss an eine Magersucht.

In Deutschland liegt die Häufigkeit der Erkrankungsfälle liegt bei 1-3% . Bestimmte Berufsgruppen sind besonders anfällig ( Models, Skispringer).

  • → Anzeichen:
    Wenn bei den Betroffenen durchschnittlich 2 Essattacken pro Woche mit Gegenmaßnahmen (Erbrechen, Abführmittel) über 3 Monate hinweg anhaltend stattfinden, verbunden mit teilweise strenger Diät und übermäßiger Sport betrieben wird, kann man von einer Bulimie ausgehen. Weitere Merkmale sind Menstruationsstörungen, impulsives Verhalten z.B. Ladendiebstähle, Suchtprobleme, Selbstverletzungen sowie unkontrolliertes Geldausgeben.
  • → Ursachen/Auslöser:
    An Bulimie Leidende haben einen übertriebenen Perfektionismus. Sie sind unfähig eigene Bedürfnisse zu erkennen. Oftmals besteht Karrieredrang,verbunden mit dem ausgeprägtem Wunsch nach perfekter Familie und perfektem Selbstbild.
  • → Folgen:
    Durch das andauernde Erbrechen entstehen Schäden an Zähnen und Speicheldrüsen, Magen-und Darmstörungen, Nierenschäden, Herzrhytmusstörungen und Störungen im Hormonhaushalt. Häufig entwickeln sich Depressionen, Angststörungen und Zwangsstörungen.

2.3. Binge -Eating- Störung

Betroffene der Binge- Eating- Störung haben periodische Heißhungeranfälle mit Verlust der bewussten Kontrolle über das Essen. Sie haben mindestens zwei Essanfälle pro Woche über 6 Monate. Dabei wird eine sehr hohe Kalorienanzahl zugeführt.

Gekennzeichnet ist diese Störung durch extrem hastiges Essen, auch ohne Hungergefühl. Oft wird aus Scham allein gegessen. Es werden keine Gegenmaßnahmen wie Erbrechen, Medikamentenmissbrauch oder successiver Sport angewendet.

Nach den Essanfällen treten Schuld- und Schamgefühle auf. Die geschätzte Erkrankungshäufigkeit in Deutschland liegt bei 1,5- 2 Millionen Betroffene, also höher als Bulimiker
Erkrankte sind übergewichtig oder auch normalgewichtig.

  • → Ursachen/ Auslöser:
    Oftmals sind Diäten die Ursache dieser Essstörung.Manchmal wird das übertriebene Essen als Ersatzbefriedigung gegen psychische Probleme eingesetzt.
  • → Folgen:
    Es entstehen Langzeitfolgen durch Übergewicht, wie Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Arteriosklerose,Schäden an Wirbelsäule und Gelenken, Atem-und Schlafstörungen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Depressionen.

3. Risikofaktoren und Hinweise auf eine Essstörungen

→ Risikofaktoren:

  • verschiedene Faktoren und Bedingungen ( Gene, Persönlichkeit, häusliche und gesellschaftliche Einflüsse)
  • Geburtsstörungen
  • Kinder mit depressiven Phasen und Verhaltenszwängen
  • belastendes Umfeld, Diätwahn
  • sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, emotionale Vernachlässigung

→ Hinweise:

  • Übergänge der krankhaften Störung sind fließend
  • Angst zuzunehmen, Ablehnung des Körpers oder einzelner Körperbereiche
  • häufige Gewichtskontrolle, Gewichtsverlust
  • kontrolliertes sonderbares Essen, auslassen von Mahlzeiten
  • Gewichtsverlust
  • häufige Toilettengänge (Geruch nach Erbrochenem)
  • Gebrauch von Abführ- und Abnahmemitteln
  • Sportwahn
  • unterdrücken von Gefühlen, Essen gegen den Frust
  • kocht gern für andere, isst aber nicht mit

4. Behandlung und Therapieformen

Zur Ermittlung des Schweregrades der Erkrankung muss eine eingehende medizinische Diagnostik veranlasst werden. Daraus ableitend erfolgt eine ambulante, teilstationäre oder stationäre Behandlung mit Therapie. Schwerpunkt ist hier die Psychotherapie, ergänzt durch medizinische Behandlung und Ernährungstherapie.

Bei Kindern und Jugendlichen sollten die Eltern mit einbezogen werden. Unterstützend wirken körperbezogenen Therapieangebote, wie Therapien zur Entspannung, Übungen zur Körperwahrnehmung, kreative Therapien, Musiktherapie, Tanztherapie und Reittherapie. Erfolg versprechend ist der Anschluss in Selbsthilfegruppen. Wichtig ist eine Nachsorgebetreuung der Betroffenen, da die Gefahr der Rückfälligkeit besteht.

5. Reittherapie bei Essstörungen

Zu Beginn der Reittherapie ist eine ärztliche Stellungnahme zum Ausschluss von Kontraindikationen, wie z.B.schwere Allgemeinerkrankungen, akute Psychose, Suizidalität, Pferdehaarallergie erforderlich.

Empfohlen wird die Anzahl von 10-30 Reittherapien unter genauer Zieldefinierung. Wichtig ist, ein kritisches Gewicht zu definieren, unter bzw. über dem eine Fortsetzung der Reittherapie nicht erfolgt.

Zu jeder Therapiestunde erfolgt eine Dokumentation über den Schweregrad der aktuellen Befindlichkeitsstörung. Erforderlich ist die stetige Verlaufskontrolle. Bei Klienten mit komplexeren Essstörungen ist auf andere vorhandene Suchtproblematik oder Selbstverletzung zu achten.

Die Reittherapie sollte mit körperorientierten Übungen zur Förderung emotionaler Wahrnehmungsprozesse begonnen werden.

Förderlich ist der Aufbau von Vertrauen vom Klienten zum Reittherapeuten. Der Klient sollte nach Möglichkeit entlastet werden zur Förderung der Entspannungsfähigkeit. Stressoren müssen während der Therapie erkannt und minimiert werden. Es sollte auf positiver Belohnungsbasis hingearbeitet werden.

Allmählich kann eine Aktivierung und Bearbeitung von Gefühlen erfolgen. Durch Videosequenzen kann die Körpersprache und körperlichen Signalen dargestellt und darauf eingegangen werden.
Therapiearbeit sollte in sehr kleinen Schritten durchgeführt werden. Im Zweifelsfall immer auf den „größeren Schritt“ zu Gunsten des „kleineren Schritts“ verzichten.

Im fortgeschrittenen Therapieverlauf können Übungen zum Training des körpersprachlichen Ausdrucks ergänzt werden.